Xxl §. 7. Das Königreich Jerusalem und der dritte Kreuzzug. 403
das Gepränge, nicht die Tapferkeit und Gewalt ist es, welche das
Reich Gottes bringt, sondern die Umwandlung des Sinnes. Im
Königreich Jerusalem, wie hätte es auch anders sein sollen? war
nichts Anderes zu sehen, als die Wiederholung und Fortsetzung ganz
desselben sündlichen Lebens und Wesens, was in der abendländischen
Christenheit vor Augen lag. Ja, es war dort noch viel schlimmer.
Das südliche Klima, die asiatische Weichlichkeit und Genußsucht hatte
schnell auf die roheren und kräftigen Söhne des Nordens entnervend
und entsittlichend eingewirkt. Das heilige Land war ein Tummel-
platz der gemeinsten fleischlichen Lüfte geworden. Auf dem neuerrich-
teten stolzen Kirchenthron des Patriarchen von Jerusalem, bald auch
auf dem königlichen Stuhle der Hcrrscherfamilie, in Jerusalem wie
in Edeffa, Tyrus, Tripolis und Antiochien hatten Lasterhaftigkeit,
Lüge, Niederträchtigkeit aller Art ihren weithin sichtbaren Sitz aufge-
schlagen. Ueppige Wollust, schlaffe Trägheit, schändlicher Geiz,
unbändige Herrschsucht, das sind die Züge, welche die ganze dama-
lige Einwohnerschaft des heiligen Landes zur Schau trug. Selbst
ein christlicher Zeitgenosse schildert sie als Ungeheuer von Lastern,
deren Verworfenheit Niemand in ihrer ganzen Nacktheit für möglich
halten würde. Diesem verfaulten Christenstaat gegenüber hatte der
Herr eben jetzt einige der edelsten Erscheinungen des natürlichen
Menschen gestellt, nämlich ein Paar Mohamedaner, die nicht so sehr
von dem antichristischen Gift, alö von dem Rest des Gottcsodems,
der auch in dem jämmerlichen Trugwerk des Koran noch zu finden
ist, mit erfrischender Kraft berührt und angehaucht waren. Die bei-
den gerechten, milden, großherzigen Saracenenfürsten Nureddin und
nach ihm der noch größere Sala din traten zur Schande der Chri-
stenheit als Lichter hervor, welche die greuliche Nacht christlicher Ver-
worfenheit um so greller beleuchten. Voll Ekel wandten sich selbst die
gemeinen Saracenen hinweg von den elenden Streitigkeiten der christ-
lichen Fürsten, den noch schändlicheren der Patriarchen und Bischöfe,
die mit schamloser Oeffentlichkeit geführt wurden. Ja Kreuzfahrer,
angesehene Ritter, hochgestellte Geistliche verbanden sich oft genug
mit den Saracenen gegen ihre eignen Glaubensgenossen. Unglaube
und wahnwitziger Aberglaube, Völlerei und Unzucht und die peinlich-
sten Ceremonien des Gottesdienstes wurden in widerlicher Gemein-
schaft zur Schau getragen. Herrschsucht, Habsucht und Genußsucht
waren die Götter, denen Jedermann von Herzen diente. Ein solches
Reich, unter Greueln begonnen, unter Lastern sortgeführt, wie hätte
es bestehen sollen? Durch die Gunst der äußeren Verhältnisse, durch
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Xxi. §.12. Scheinbare Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Papstrc. 421
wegen, noch einmal wieder umzukehren, aber im folgenden Jahre fuhr
er wirklich nach der syrischen Küste hinüber, obgleich der Papst wegen
jener Umkehr bereits den Bann über ihn gesprochen und seine italieni-
schen Länder anzugreifen begann. Durch geschickte Unterhandlungen
mit dem ägyptischen Sultan Kamel, der damals Jerusalem inne hatte
und die Verbindung Friedrich's mit seinem Feinde, dem Sultan von
Damascus, fürchtete, kam der Kaiser fast ohne Schwertstreich in den
Besitz von Jerusalem und fast alles Landes, welches früher die Kreuz-
fahrer besessen hatten. Durch seine Gemahlin, die von der frühern
jerusalemischen Königsfamilie abstammte, hatte Friedrich Erbansprüche
auf das Königreich und setzte sich 1229 in der heil. Grabeskirche die
jerusalemische Königskrone auf das Haupt. Es war, als wollte der
Herr der verblendeten Christenheit zeigen, mit wie geringer Mühe jene
heiligen Stätten zu gewinnen seien, wenn Er es nicht hinderte. Er
hinderte es aber jetzt nicht mehr, weil bei Friedrich's Sinn und Ge-
müthsart sich durchaus keine weiteren Folgen an diese Besitznahme knüpf-
ten. Denn Friedrich war kein so eifriger Katholik, daß er um des
Glaubens und um Gottes willen den Kreuzzug unternommen, oder auf
die neue Königskrone einen bedeutenden Werth gelegt hätte. Er wollte
der einmal übernommenen Pflicht genügen, da sonst kein Mittel war,
seine Ehre vor der Christenheit zu retten und dem übel gesinnten Papst
den Vorwand zu seinen feindlichen Maßregeln zu rauben. Deshalb
kehrte er auch eiligst nach Italien zurück, vertrieb die päpstlichen
Truppen aus seinen Grenzen und bot dann selber die Hand zum
Frieden, die der Papst annahm (1230), da er auf keine fremde Hülfe
gegen den kriegsmächtigen Kaiser zählen konnte. Für mehrere Jahre
blieb nun der Friede zwischen den beiden Oberhäuptern der Christen-
heit hergestellt. Aber das neugewonnene Königreich Jerusalem ging
eben so schnell wieder verloren, als es errungen war, nicht so sehr durch
die Uebermacht der Saracenen als durch die elenden und schändlichen
Streitigkeiten der dort vorhandenen Christen. Es war, als hätte sich
der Fluch, den der Herr über die messtasmörderische Stadt gesprochen,
auf alle die Retter und Vertheidiger derselben zurückgewandt. Die
Geistlichen, die Ordensritter, die päpstlichen Legaten, die kaiserlichen
Behörden, Alles stand mit solcher Bitterkeit, mit solch offenem Haß und
geheimen Ränken einander gegenüber, daß jeder Theil viel lieber Stadt
und Land wieder in die Hände der Saracenen hätte fallen sehen, wenn
nur die Gegenpartei dadurch Schaden litte. Der Herr machte diesem
Unwesen bald ein Ende. Nachdem (1239) die Ritter und Barone dem
Vertrag zuwider die Mauern von Jerusalem wieder aufgebaut hatten,
eroberte der Sultan Jsmael von Damascus die Stadt und ließ die
Befestigungen wieder schleifen. Und als vier Jahre später die halbzer-
störte offene Stadt noch einmal durch kaiserliche Unterhandlungen in
christliche Hände gekommen war, da brauste sofort, gleich als hätte er #
nur darauf gewartet, der schreckliche Sturm der türkischen Chowares-
mier durch's Land und vernichtete auch den letzten Anschein von Mög-
lichkeit, als ob je wieder ein jerusalemisches Königreich erstehen könnte.
Die wenigen Punkte an der Küste des Mittelmeeres, die noch in den
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Extrahierte Personennamen: Damascus Friedrich_Erbansprüche Friedrich Friedrich Friedrich Jsmael_von_Damascus
Iv. §. 3. Jsrael's Ankunft zumfi Verderben für die Cananitcr.
33
Ihnen gegenüber fteht die wilde, kriegerische Ast arte und der Alles
verderbende und verschlingende Moloch. Diesem Verderber, kein
Moloch, wurden die schrecklichen Feueropfer gebracht, die Kinder,
welche in den Armen des glühenden Götzenbildes verbrannt wurden.
Von tiefem gräßlichen cananitischen Götzendienst sagt die Schrift Ps.
106, 37 f.: sie dieneten ihren Götzen und opferten ihre Söhne und
Töchter den Teufeln, und vergossen unschuldiges Blut, das Blut ihrer
Söhne und Töchter, die fte^opferten den Götzen Canaan's, daß das
Land von Blutschulden beflecket ward. Vor diesem Greuelwesen war-
net der Herr die Israeliten 5 Mos. 18, 9—12; „Du sollst nicht thun
den Greuel dieser Völker, daß nicht unter dir gefunden werde der sei-
nen Sohn oder Tochter durch's Feuer gehen lasset, oder ein Weissager,
oder ein Tagewähler oder der auf Vogelgeschrei achtet, oder ein Zau-
berer oder Beschwörer oder Wahrsager oder Zeichendeuter oder der die
Todten frage. Denn um solcher Greuel willen vertreibt sie der Herr
dein Gott vor dir her." Wohin die Phönizier kommen und sich nieder-
lassen, sei es zu Lande oder zur See, dahin verpflanzen sie diesen
schrecklichen Götzendienst. Nicht ohne Schauder berichten eine große
Anzahl heidnischer Schriftsteller von dem grauenhaften Verbrennen der
Kinder auf den phönizischen Colonieen in Afrika, Spanien u. s. w.
Der in Tyrus am meisten verehrte Gott hieß Melkarth (beiden
Griechen Herakles) und war eine Zusammenfassung des Baal und
Moloch-, wie solche bei den Asiaten häufiger vorkommt. Er stellt die
Sonne dar in ihrer wohlthätigen und lebenerweckenden, aber auch in
ihrer versengenden und zerstörenden Kraft. Ihm gegenüber steht die
Astarte, die finstere, strenge, schweigende Göttin, die durch Ver-
stümmelung und Entmannung verehrt wurde, die Nacht- und Mond-
göttin. Aber der Melkarth verfolgt sie mit seiner glühenden Leiden-
schaft nach Westen hin bis an das Ende der Erde. Da endlich ergiebt sie
sich ihm und nun wird aus der finstern Ast arte die lockende Asch er a,
die Geburtsgöttin, die ganz besonders in Sidon und auf der von Si-
doniern besetzten Insel Cypern verehrt wurde. Diese Asch er a (von
Luther gewöhnlich „Hain" übersetzt) ist recht eigentlich die Göttin der
Wollust. In ihren Tempeln wurden die ekelhaften Orgien gefeiert, da
Weiber und Jungfrauen (aus Frömmigkeit!) ihre Keuschheit opferten
und durch wollüstige Fleischesfeier sich dem Dienst dieser Hurengöttin
weihetcn. Das Alte Testament ist voll von Warnungen an die Israeli-
ten, sich vor der Nachahmung solcher Greuel zu hüten, und voll trauriger
Beispiele, daß sie es nicht gethan (Rieht. 2, 13. 3, 7. 6, 25. 10, 6.
1 Sam. 7, 3. 12, 10 u. s. w.).
§. 3. Jsrael's Ankunft zum Verderben für die
Cananiter.
Nach der langen Läuterungszeit in der Wüste kam das Volk
Israel von Osten her an die Grenzen Canaan's, ungefähr da, wo
der Jordan sich in's todte Meer ergießt. Erst diesseit des Jordan
sollte ihr Nachewerk an den Cananitern beginnen, denn erst da be-
v. Rvhden, Leitfaden. 3
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Extrahierte Personennamen: Luther
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Spanien Tyrus Sidon Cypern Israel
38 Iv. §. 5. Die Cananiter am Meer (Phönizier).
noch eben so reich, eben so mächtig, eben so einflußreich wie ehedem.
Denn ihre Heimath war daö Meer. Auf dem Lande brauchten sie
nur eine Stätte, wo sie wohnen, und Handelsstraßen, auf denen sie ihre
Maaren empfangen und versenden konnten. Auf dem Meer breiteten
sie ihre zahlreichen Flotten aus, und trugen das Silber von dem
spanischen Tartessus, das Zinn von England, den Bernstein von
Preußens Küsten, das Gold aus Mohrenland, das Elfenbein aus
Afrika und aus Ostindien, die Gewürze aus Ceylon oder gar aus
den Sunda-Inseln in die Häfen von Ezeongeber, Elath, Tyrus und
Sidon. Und von den Hafenstädten machten sich dann die langen
Züge der Karavanen auf und Maulthiere und Kameele trugen die
kostbaren Maaren, die ihre Kaufmannsschiffe von fernher brachten,
tief in die Länder hinein nach Aegypten (damals trieb Aegypten keinen
Seehandel), nach Arabien und Mesopotamien, nach Armenien und
Syrien. Juda aber mit allen seinen Nachbarstaaten brachte wiederum
alle seine Erzeugnisse, seine rohen Producto nach den gewerbthätigen
Cananltcrftädten. Dort wurde die Molle, die Gewebe, die Lein-
wand gefärbt und bereitet, und dann wieder hinausgesandt in die
fernen Colonicen auf den griechischen und italienischen Inseln und
Küsten, am afrikanischen und spanischen Ufer, und an allen erreich-
baren Punkten des Mittelmeers. Man muß das 27. Capitel des
Ezechiel lesen, um einen Begriff zu bekommen von der ungeheuren
Ausdehnung und Mannigfaltigkeit des Verkehrs und von der uner-
hörten Pracht und Ueppigkeit in den Palästen dieser „Kaufleute, die
Fürsten sind, und ihre Krämer die herrlichsten im Lande." Es hat
sich mehrfach in der Weltgeschichte dieselbe Erscheinung wiederholt.
Wir brauchen nur an Venedig und Genua zu erinnern im Mittel-
alter, an Holland vor zwei Jahrhunderten. Aber kaum jemals scheint
die Herrlichkeit eines kleinen das Meer beherrschenden Staates zu
solcher Höhe gediehen zu sein, wie die der phönizischen Städte im
Alterthum.
Wie schon oben bemerkt, war der Anfangspunkt und ursprüngliche
Hauptsttz der phönizischen Macht am mittelländischen Meer die Stadt
Sidon. Von Sidon aus gingen jene frühesten Colonieen, die schon zu
Mo sis und Josua's Zeiten nach Griechenland, Italien, Afrika und
Spanien gesendet wurden. Von Sidon wurde Tyrus gegründet, oder
richtiger die schon bestehende Stadt neu bevölkert und erweitert. Die
Tochter aber ward allmälig größer und reicher als ihre Mutter, und
in späterer Zeit war Sivon der Stadt Tyruö mehrfach unterthanig
geworden. Von Tyrus aus verbreiteten sich die phönizischen Haudels-
factoreien und Colonieen durch die dainals bekannte Welt. Die Erzeug-
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Extrahierte Ortsnamen: England Afrika Ostindien Ceylon Elath Tyrus Mesopotamien Armenien Syrien Juda Venedig Genua Holland Sidon Griechenland Italien Afrika Spanien
Iv. §. 6. Einwirkung Jsrael's auf die Canamtcr.
41
Herrn selber als ein Muster des nickt abzuweisenden und einzuschüch-
ternden Glaubens entgegentrat, so müssen wir sagen: es fanden sich
unter den Phöniziern viel leichtere Anknüpfungspunkte für den fra-
genden und suchenden Glauben als unter den Aegyptern.
Derselbe Unterschied tritt hier schon hervor wie später zu Athen
und Corinth und bis auf den heutigen Tag in aller Welt. Die Weis-
heitsmänner in Athen (wie vormals in Aegypten) verspotten die Pre-
digt des Paulus und nur ein Paar vereinzelte Seelen werden gerettet.
Aber in der üppigen, in Lurus und -Ausschweifung, in Hoffart und
Laster ganz versunkenen großen Handelsstadt Corinth spricht der Herr:
„ich habe ein großes Volk in dieser Stadt"; und dort ward die wich-
tigste paulinische Gemeinde begründet. Sollten wir nicht etwas Aehn-
liches von den großen alttestamentlichen Handelsstädten Phöniziens
annehmen dürfen? Auch im Neuen Testamente wird Tyrus noch
erwähnt, als eine blühende Gemeinde in ihren Mauern bergend, die den
Palllus mit großer Innigkeit aufnimmt. „Sie geleiteten uns alle mit
Weibern und Kindern bis hinaus vor die Stadt, und knieten ilieder
am Ufer und beteten; und als wir einander gesegnet hatten, traten
wir in das Schiff, jene aber wandten sich wieder zu den Jhrigeil"
(Apstg. 21, 5). Das Schlußurtheil entnehmen wir dein Mlinde des
Herrn, der da spricht (Matth. 11, 22. Llic. 10, 13): „Wehe dir Cho-
razin uild Bethsaida! wären solche Thaten zu Tyrus und Sidon ge-
schehen, als bei euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten in Sack und
Asche Buße gethun. Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen
am jüngsten Gericht denn elich." Also bei aller Wollust, bei aller
Gewinnsucht, bei aller Schwelgerei, bei aller Genußsucht, bei allem
Hasten an irdischem Wohlleben war unter diesenl Handelsvolk doch
mehr Empfänglichkeit für die göttlichen Wahrheiten wie unter Israel.
Das Wort, welches der Herr zu den wissensstolzen und gerechtigkeits-
eiteln Schriftgelehrten, Hohenpriestern und Aellesten sprach (Matth. 21,
31): „die Zöllner und Huren mögen wohl eher in's Himmelreich kom-
men als ihr", hat allwege seine Gültigkeit gehabt und wird sie bis
an's Ende behalten. Auch die materiellen Interessen der jetzigen Zeit
sind kauin ein so großes Hinderniß für das Christenthum, als die
falsch berühmte Kunst und die voit Gott abgekehrte Weisheit der
Wissenden unserer Tage. Aber bei alledem wurdeit auch aus dein
cananilischen Geschlecht doch verhältnißmäßig nur Wenige errettet; und
wo die Gerichte Gottes über die Welt gehen, da wird das Babylon
des hoffärtigen Krämergeistes in erster Liirie von ihnen betroffen wer-
den, wie Offb. 18 uns bezeugt.
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44
V. §. 2. Amalekiter und Edomiter.
ihnen wohnen, und sie benutzten deren rohe Körperkraft, um ihren
kriegerischen Unternehmungen größern Nachdruck zu geben. Die
Israeliten fotlteu eigentlich gar keine Philister im Lande dulden. Der
Küstenstrich, den sie bewohnten, sollte zum Gebiete Juda imb Dan ge-
schlagen werden. Haben sie auch nie ernstlich den Versuch gemacht,
das Philisterland zu erobern, so waren sie doch auch nicht gemeint,
dies fremde Volk weiter um sich greifen zu lassen, und so kam es
zti unaufhörlichen Kämpfen, in denen die Israeliten bis auf David's
Zeit fast immer unterlagen. Gott selbst hatte die kriegerischen Phi-
lister den, Volk Israel als Lehrmeister an die Seite gestellt, „daß
die Geschlechter Israel wußten und lerneten streiten, die vorher nichts
darum wußten" (Nicht. 3, 2). In den Kämpfen für und gegen die
Philister lernte auch David streiten, und aus der Mitte der Philister
gewann er sich seine Leibwache, die tapfere Kriegerschaar der Kreti und
Plethi, zu denen atich noch die 600 treuen Gathiter kamen (2 Sam.
15, 18). Von da an war zwar das Philisterland abhängig von den
Königen Jsrael's, doch nicht für immer. Vielmehr setzten sich die
Kämpfe mit den Philistern noch bis zum Falle Jerusalems fort, ja
sie dauerten noch darüber hinaus.
§. 2. Amalekiter und Edomiter.
Indem wir nn den Grenzen Canaan's entlang, von dem Lande
der Philister durch den Süden nach dem Osten herumgehen, treffen
wir zunächst das rathselhaste Volk der Amalekiter in der Wüste,
und darnach die Edomiter auf dem Gebirge Seir. Räthselhast sind
die Amalekiter, weil man von ihrem Ursprung gar nichts Zuverlässi-
ges weiß, und doch gerade sie in einem so bestimmten feindlichen Ver-
hältniß zu Israel und unter einem scharf ausgesprochenen Urtheil
Gotteö stehen. Amalek war nämlich das erste heidnische Volk, wel-
ches dem Volk Gottes nach seinem Auszug aus Aegypten in der
Wüste feindlich entgegentrat, und von Jo su a durch Mo sis Gebet
überwunden wurde. Damals sprach der Herr: ich will den Amalek
unter dem Himmel austilgen, daß man seiner nicht mehr gedenke
(2 Mos. 17, 14), und ließ diesen Spruch durch den Mund deö
Bileam wiederholen (4 Mos. 24, 20). Jahrhunderte hindurch blieb
die Drohung unausgeführt. Amalek aber, anstatt die Frist des lang-
müthigen Gottes zur Umkehr zu nutzen, fuhr fort nach wilder Räuberweise
Israel bei jeder Gelegenheit zu bekriegen und zu plündern (4 Mos. 14,
45. Nicht. 3, 13. 6, 3). Sobald daher Israel in der Person des
Saul einen König erhalten hatte, der vor ihnen Herzog, war es einer
der ersten Aufträge Gottes an ihn, Amalek zu vertilgen. Ich habe
bedacht, was Amalek wieder Israel that, und wie es ihm den Weg
verlegte, da es aus Aegypten zog, so zeuch nun hin und schlage die
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: David David
Extrahierte Ortsnamen: Juda Israel Israel Israel Amalek Gottes Amalek Amalek Israel Israel Gottes Amalek Amalek Israel
V. §. 6. Die Predigt Israel'- vor seinen Nachbarn. 51
Aschera als männliches und weibliches Princip mit Menschenopfern
und Wolluftdienft verehrt wurden.
Der Name Syrien (hebräisch Aram) ist sehr schwankend. Bis-
weilen umfaßt er alles Land, welches vom Taurusgebirge in Klein-
afien ab, südwärts am mittelländischen Meer hinab und sogar bis
zum perfischen Meerbusen reicht, also auch Mesopotamien (Padan Aram),
das Land zwischen Tigris und Eufrat, mit einschließt. Im engern
Sinne wird Syrien das Land genannt, welches zunächst östlich und nörd-
lich vom Libanon lag. Die Bewohner dieses Landes waren Semiten,
aber aus mehren semitischen Stämmen gemischt. Der Hauptstamm
der Bevölkerung wird von Aram (nach 1 Mos. 10, 22), fünftem Sohn
des Sem, abgeleitet. Nach Amos 9,7 scheint es, daß diese Aramäer
aus dem armenischen Hochland, vom Fluß Kir nach der Gegend des
Libanon hinübergewandert seien. Sie hatten ihre besondere Sprache,
die cananäische, die zwar mit der hebräischen nahe verwandt, aber viel
rauher und mit fremden Bestandtheilen vermischt war. Unter diesen
eingewanderten Aramäern hatten sich die Söhne Arphachsad's, des
dritten Sohnes Sem's, die nach dem Eber, Arphachsad's Enkel,
Ebräer hießen, niedergelassen. Vielleicht saßen sie auch schon früher im
Lande als die Einwanderer von Aram. Von E b er' s Urenkel S eru g
stammte dann Na hör, der Vater des Tharah, der mit seiner ganzen
Familie nach Haran am Eufrat zog, und dessen Sohn Ra hör in
dieser Gegend blieb, während Abraham, dem göttlichen Befehl folgend,
sich nach Canaan wandte. Von dieses Nahor's Sohne Kemuel
stammten dann die hebräischen oder, wie sie nach dem Thara genannt
werden, tharachitischen Syrer, von denen im 1. Buch Mosts die Rede
ist, die sich aber vollständig mit den aramäischen Syrern vermischt
zu haben scheinen.
Bis auf David's Zeiten hören wir von den Syrern nichts mehr,
außer daß die Israeliten sich auch durch die syrischen Götzen zum Ab-
fall von Gott verleiten ließen (Nicht. 10, 6). Vielleicht wäre auch
Cusan Risathaim, König von Syrien, hierher zu ziehen, dessen
syrisches Reich jedoch in Mesopotamien lag. Zu David's Zeit war
Syrien in eine Menge kleiner Königreiche getheilt, welche alle von
David überwunden wurden (2 Sam. 8), obgleich sie sich mit den
Ammonitern und mit den Syrern jenseit des Eufrat verbunden hatten.
Alle diese kleinen Königreiche standen, wie es scheint, unter der Ober-
hoheit des Hadad Eser von Zoba (2 Sam. 10). In der später»
Zeit kommt nur noch das kleine Reich Damascus vor, welches fast
200 Jahre hindurch ein höchst gefährlicher Feind Jsrael's blieb, bis
Tiglat Pileser es eroberte und viele Bewohner nach dem Flusse
Kir in's Eril führte, wie Amos 1, 5 geweissagt hatte.
§. 6. Die Predigt Jsrael's vor seinen Nachbarn.
Alle die bisher genannten Nachbarvölker Jsrael's, die Cananiter
und Philister, Amalekiter und Edomiter, Moabiter und Ammoniter,
dazu noch die Midianiter in Arabien und die Syrer von Damascus
4*
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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TM Hauptwörter (200): [T189: [König Reich Land Volk Israel Zeit Jahr Stadt Babylon Sohn]]
Extrahierte Personennamen: Abraham Buch_Mosts Gott Cusan_Risathaim David David Damascus
61
Vi. §. 4. Die verführerische Herrlichkeit Jsrael's.
zu der ewigen Weisheit des wahrhaftigen Gottes habe hinlenken
lasten? Es werden ja nicht bloß der König von Tyrus (2 Chron.
2, 12) und die Königin von Mittag, von der Welt Ende (Luc. 11,
31), die aus Reich Arabien mit großem Glanz und Gefolge und vie-
len Geschenken herbeizog (2 Chron. 9, 8), sondern noch viele andere
Herrscher und Unterthanen dem Gotte Salomo's die Ehre gegeben
haben, deren Namen nicht auf Erden angeschrieben sind.
Wie weit sich der Ruf des Salomo verbreiten konnte, geht
schon daraus hervor, daß die benachbarten und befreundeten Phönizier
nach allen Gegenden der Welt, zur See und zu Lande, ihre Handels-
verbindungen hatten, und daß die Schiffe des Königs Salomo, in
Gemeinschaft mit denen des Königs Hiram, vom rothen Meere aus,
um Arabien herum nach den Küsten Ostindiens und vielleicht die Ost-
küste Afrikas entlang fuhren. Werden nicht die Schiffsleute, zumal
wenn sie selber Juden waren, überall wo sie landeten, den Ruhm ihres
Königs und den Glanz seiner Herrschaft und die Tiefe seiner Weisheit
verkündigt haben? Bis auf den heutigen Tag finden wir in den alten
Fabeln und Erzählungen der persischen und arabischen Schriftsteller den
Namen Salomo als des weisesten Sterblichen, des größten Zauberers
und Wunderthäters gepriesen. Nicht minder war er den westlichen
Völkern der alten Welt bekannt, und in Abessinien will man noch
jetzt die Spuren wiederfinden von dem Besuch, den die Königin von
Mittag bei Salomo machte, und von der Verbindung, die sie mit
seinem Volke anknüpfte. Wie weithin entsandte da das ewige Licht,
welches auf den Leuchter zu Zion gestellt war, seine Strahlen in die
ringsumgebende götzendienerische Finsterniß, also daß selbst bis an die
Enden der damals bekannten Welt noch ein Schein und Schimmer
göttlicher Klarheit drang und die schwarze Nacht heidnischer Unwissen-
heit und Unfittlichkeit wie zu einer leisen Morgendämmerung lichtete.
§. 4. Die verführerische Herrlichkeit Jsrael's.
So war die Gnadenabstcht Gottes wenigstens zu einem kleinen
Theile erreicht, und das über weite Gebiete des westlichen Asiens
ausgebreitete sieghafte Königreich mit dem glanzvollen Hofe zu Jeru-
salem und die ausgezeichneten Persönlichkeiten des David und Sa-
lomo hatten wirklich einen weithin reichenden Einfluß unter den
Heiden, den Einen zum Leben und Segen, den Anderen durch Schuld
ihrer eignen Verkehrtheit zur Strafe und zum Verderben. Aber um
dies Ziel zu erreichen, hatte sich die ganze Natur des jüdischen Vol-
kes und Staates verändern müssen. Statt eines friedlichen, acker-
bauenden, patriarchalischen Volkes mit einfachen Sitten sah man
jetzt die Juden als ein krieggeübtes und kriegerisch organisirtes
(2 Chron. 1, 14. 9, 25. 1 Kön. 10, 26), durch Handel und Schiff-
fahrt bereichertes (1 Kön. 10,11.29. 2 Chron. 9, 21), mit den Heid-
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96 Vili. §. 8. Wiederabfall der Könige Babel's von dem lebendigen Gott.
§. 8. Wiederabfall der Könige Babel's von dem lebendi-
gen Gott.
Von dem Tode Nebueadnezar's (561) bis zum Untergang
seineö Geschlechts und der Zerstörung der babylonischen Weltherr-
schaft verflossen noch 23 Jahr. Es war nur eine Gnadenfrist, denn
der Untergang Babylon's war bereits lange zuvor beschlossen. Mochte
auch Israel noch so verschuldet und gottlos gewesen sein, mochte auch
Assur und Babel nach dem. Rath und Willen Gottes das Strafur-
theil an ihnen vollstreckt haben, so war doch Babylon eben so sehr
wie Assur im Uebermuth des eignen Herzens an das Zerstörungs-
werk gegangen. Da mußte der Herr der ganzen Welt zu erkennen
geben, daß nicht die Unwiderstehlichkeit der Sieger, sondern allein der
Rathschluß des Herrn Jerusalem vernichtet habe, und daß die Hand
des Herrn auch jetzt noch nicht verkürzt sei, seinem Volke zu helfen
und Rache zu üben an dessen Feinden. Wie deshalb Assur's Unter-
gang rasch auf Eamaria's Zerstörung gefolgt war, so folgte jetzt
Babel's Untergang rasch auf Jerusalem's Zerstörung. Das hatte
schon 200 Jahr zuvor Jesajas verkündigen müssen (Jes. 47; vgl.
Jes. 13. 14. 21, 9) und hatte dabei alle Weisen und Sternseher in
Babylon herausgefordert, ob sie etwa auch das Schicksal ihres Volkes
und Reiches vorhersehen und sagen könnten? War damals ja doch
noch gar kein Gedanke an die Oberherrschaft Babel's über Assur und
die Zerstörung Jerusalem's durch die Chaldäer. Aber wer Ohren
hatte für des Herrn Wort, der sollte es Alles erfahren, auf daß,
wenn es nun geschehe, er wisse warum und wozu, und was dar-
auf folgen werde. Hundert Jahr schwieg dann, die Weissagung wi-
der Babel. Aber als sie nun dastand in allem ihren Stolz und
allem ihren Geiz, in all ihrer Ueppigkeit und all ihrer Härte gegen
die Besiegten, die große Weltbeherrscherin, da ertönten die Drohungen
der Propheten schärfer, gewaltiger auf's Neue, und bestätigten und
verschärften die alte Verkündigung, die fast vergessen war. Ja noch
mehr: nachdem Jeremias die schwere Last über Babel's Haupt ge-
wälzt hat (Jer. 50 und 51), gebietet er dem Sera ja, alle diese
Worte in Babel selber aus dem Buche vorzulesen, und dann einen
Stein an das Buch zu binden und es in den Eufrat zu werfen, und
zu sprechen: also soll Babel versenkt werden und nicht wieder auf-
kommen. Aber in Babel war kein Erschrecken und Bußethun, wie
zu Jonas Zeiten in Ninive. Auch die heilsamen Eindrücke, welche N e bu-
ca due zar's Edict vielleicht gemacht hatte, waren bei dem großen
Haufen bald wieder verschwunden, und nach dem Bericht aller Heid-
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Babel Jonas
Extrahierte Ortsnamen: Israel Assur Gottes Assur Assur Ninive
88 Vili. §. 4. Zerstreuung des Volkes Gottes unter die Heiden.
bekannt. Einen letzten Versuch hatte der Herr anstellen lassen durch
seinen treuen Knecht, den König Josias, ob sich nicht das Volk des
heiligen Landes herumholen ließe non seinem Götzendienst, und wäre es
auch nur durch Zwang und auä Gehorsam gegen den König. Die
Reformation, welche Josias durchführte, war kraftvoll und vollstän-
dig, aber — von kurzer Dauer. Er selbst, der Gerechte, ward wegge-
rafft vor dem llnglück, da er stch thörichterweise dem wider Babel
heraufffehenden König Necho entgegenstellte (2 Kön. 23). Auf einen
Augenblick war der Aegypter Necho Herr in Jerusalem und setzte
den Jojakim ein. „Der that was dem Herrn übel gefiel, wie seine
Väter vor ihm gethan hatten." Nicht lange, so war des Necho Macht
zerbrochen und Lie bucadn ezar der Gewaltige zog herauf und machte
Jerusalem zinsbar (2 Kön. 24). Aber wer hätte damals glauben
wollen, daß der Herr sein Volk also verlassen und in die Hände der Hei-
den geben würde? Jojakiin wagte es und fiel von Nebucadnezar
ab- Gefangenschaft und Tod wäre sein Lohn geworden, wenn er nicht
vor der Ankunft des zornig herbeieilenden Nebucadnezar gestorben
wäre. Jetzt mußte sein Sohn Jechonja des Vaters Unverstand bü-
ßen. Ntlr drei Monate konnte er sich halten. Mit dem reichern und
tüchtigern Theil des Volks ward er um 597 (oder 599) nach Babel
geführt, und schon da beginnt das babylonische Eril. Ein neuer Kö-
nig ward in Jerusalem als babylonischer Vasall eingesetzt: Zedekia.
Er regierte noch 12 bis 13 Jahr. In unbegreiflicher Verblendung
wollte auch er dem gewaltigen Monarchen Trotz bieten und sich los-
reißen von der babylonischen Oberherrschaft. Da war die Geduld des
Herrn erschöpft und die Zerstörung der Stadt war nicht länger aufzu-
halten. Nach anderthalbjähriger Belagerung sank sie in Trümmer.
So wie die Rettung Jerusalem's vor San b eri b an drei verschiede-
nen Stellen ausführlich erzählt ist, so wird auch die Geschichte von der
Zerstörung durch Nebucadnezar dreimal wiederholt. Wie ge-
waltig weisen beide Begebenheiten auf einander hin.
§. 4. Zerstreuung des Volkes Gottes unter die Heiden.
Bis zu welchem Grade das jüdische Volk sich verschuldet, und auch
nach der durchgreifenden Reform des Josias sich gänzlich von seinem
Herrn und Gott abgewendet und dem Götzendienst ergeben hatte, geht nicht
bloß aus den oben schon angeführten Stellen der biblischen Geschichts-
bücher und deö Jeremias nebst dem Zephanja hervor, sondern
mit fast noch schrecklicherer Anschaulichkeit aus dem Buche des Eze-
chiel. Dieser priesterliche Prophet, der mit der großen Schaar Ge-
fangener zugleich mit dem König Jechonja nach Babel geführt
war, wohnte unter seinen Leidensgenossen am Fluß Chebar und diente
nicht bloß den gefangenen Juden im Heidenland als Prediger, Leiter
und Seelsorger, sondern er mußte auch auf Befehl deö Herrn sein
Angesicht nach dem noch bestehenden Jerusalem zurückwenden und
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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